Für den Hanfbau von Schweden lernen
Was haben ein schwedisches Logistikzentrum und die Zukunft des nachhaltigen Bauens gemeinsam? Mehr als man denkt! Beim 12. International Hemp Building Symposium (IHBS) in Staffanstorp wurde deutlich: Hanf als Baustoff ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern mausert sich zur großindustriellen Realität und liefert eine spannende Vorlage für die Regionalentwicklung in Deutschland.
Der Veranstaltungsort selbst setzte bereits ein klares Signal: Die Konferenz fand in den Produktionshallen von Ekolution AB statt, einem Unternehmen, das schwedische Hanfbau-Geschichte schreibt. Seit 2023 produziert Ekolution hochwertige Dämmmatten in Form von Hanf-Klemmfilzen. Die Dimensionen der Produktionsanlage sind vielversprechend: Bei voller Auslastung soll die Fabrik künftig 28.000 Tonnen Hanfstroh jährlich verarbeiten – eine Menge, die auf etwa 3.000 Hektar im Umkreis von 60 Kilometern angebaut werden könnte und regionalen Landwirt*innen attraktive Absatzmöglichkeiten bietet. Die Produktionshallen demonstrieren die Qualität der eigenen Produkte – sie sind selbst mit Hanffaser-Dämmmatten ausgestattet.
Beim Faseraufschluss des Hanfstrohs entstehen Schäben, die sich ideal für Hanfbaustoffe eignen – ähnlich wie bei unseren Hanfkalksteinen in Zempow. Selbst die beim Aufschluss entstehenden 10 Prozent Staubanteil finden in Schweden sinnvolle Verwendung: als Dünger, in Kunststoffkomponenten und als Pellets - Ein Paradebeispiel für regionale Kreislaufwirtschaft und insgesamt ein zukunftsweisendes Modell, das auch strukturschwachen Regionen wie Brandenburg neue Perspektiven eröffnet.
Spannend waren die Erkenntnisse von der Universität Lund. Paulien Strandberg-de Bruijn präsentierte ihre Forschung zu Hanfkalk. Eine wichtige Erkenntnis: Die Größe der verwendeten Hanfschäben bestimmt maßgeblich die Eigenschaften. Große Schäben verbessern die Stabilität, kleinere ermöglichen filigranere Arbeiten und erleichtern industrielle Anwendungen wie Produktion von Sprühhanf Mischungen oder Hanfsteine.
Aufschlussreich war auch der Vortrag von Liam Donohoe, Co-Direktor der International Hemp Building Association (IHBA). Als erfahrener Experte für biobasierte Gebäudesanierung und energetische Modernisierung räumte er mit gängigen Vorurteilen auf: Naturbaustoffe wie Hanfkalk zeigen ein faszinierendes hygrothermisches Verhalten. Anders als konventionelle Dämmmaterialien kann Hanfkalk dank seiner speziellen Porenstruktur Feuchtigkeit aufnehmen und regulieren, ohne dabei seine Dämmwirkung wesentlich zu verlieren. Eine Eigenschaft, die von herkömmlichen Rechenmodellen zur Wärmeleitfähigkeit bisher unterschätzt wird – und damit ein wichtiger Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der Baustandards.
Zum Höhepunkt gehörte eine Live-Demonstration der innovativen Sprühhanf-Applikation für Hanfkalk. Paolo Ronchetti von Tecno Canapa zeigte, wie seine innovative Technologie aus Italien an einem Bauprojekt im ländlichen Schweden. Die Vorführung verdeutlichte, wie diese Methode nicht nur die Effizienz von Hanfbau-Ausführungen steigert, sondern auch neue Möglichkeiten in der nachhaltigen Bauindustrie eröffnet.
Im Innenausbau überzeugte Elena Yaneva von Hempstatic mit biologisch abbaubaren Schallabsorbern aus Hanf. Die Elemente vereinen Funktionalität mit anspruchsvollem Design – ein gelungener Beweis, dass Nachhaltigkeit und Ästhetik Hand in Hand gehen können.
Francesco Mirrizzi von der European Industrial Hemp Association (EIHA) unterstrich die Bedeutung einheitlicher Standards für die Branche. Die EIHA treibt aktiv die Integration pflanzenbasierter Dämmstoffe in europäische Normen voran – ein entscheidender Schritt für die Zukunft.
Impulse kamen auch von jenseits des Atlantiks: Jacob Waddell vom Hemp Building Institute USA stellte Pläne vor, sechs Millionen US-Dollar Fördergelder für die Entwicklung von Umweltproduktdeklarationen (EPDs) für Hanfbaustoffe zu mobilisieren.
Das IHBS 2024 machte deutlich: Hanf im Bau ist keine Nische mehr, sondern eine ernstzunehmende Alternative für die Bauindustrie. Von der Großbaustelle bis zum Design-Innenausbau, von der Forschung bis zur Praxis – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und die Entwicklung nimmt Fahrt auf.
Für Deutschland bedeutet das: Die Zeit ist reif, von den Erfahrungen unserer europäischen Nachbar*innen zu lernen und die Weichen für eine nachhaltige Bauwirtschaft zu stellen. Die Technologie ist da, das Know-how wächst – jetzt gilt es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und mutig voranzugehen.